Wie versprochen, möchte ich über meine Erlebnisse beim Salomon Zugspitz- Ultratrail berichten. Im vergangenen Jahr habe ich zur Vorbereitung auf einen 100 Meilen Lauf (161km) viele Kilometer zurückgelegt. Knapp 22 Stunden war ich damals unterwegs. Der Salomon Zugspitz Ultratrail ist ein extremer Einzel-Trailrun rund um das Zugspitzmassiv. Die Streckenabschnitte des Ultratrails beinhalten teilweise hochalpine Passagen, die von jedem Teilnehmer spezielle Vorerfahrungen und Kenntnisse erfordern. In diesem Jahr sollten es einige 100 km weniger sein. Für die „nur 100km“, aber dafür 5420 HM würde ich vielleicht 15 bis 18 Stunden brauchen. Im Vorfeld absolvierte ich den Rennsteiglauf etwas langsamer. Danach war ich noch eine Woche auf Mallorca, um im Tramuntana Gebirge zu trainieren. Jeden Morgen – 8 Tage lang – 60 bis 80 Minuten Bergtraining. Schöne Trails sind dort garantiert. Aus der Clubanlage heraus über die Straße und schon war ich im Gebirge. So viel zu „meinen“ Vorerfahrungen und Kenntnisse im hochalpinen Gelände. Nun war er da, der Tag der Wahrheit. 100 Kilometer und 5.420 Höhenmeter. Und das an nur einem Tag erlaufen, das ist der Salomon Zugspitz Ultratrail. Ein Wanderer braucht für diese Umrundung 3 – 5 Tage…
Bis zu 450 Teilnehmer stellten sich am 23. Juni 2012 dieser Herausforderung. Ich fuhr bereits zwei Tage früher nach Grainau, um mich an die Gegebenheiten zu gewöhnen. Übernachtet habe ich bei einem Freund. Er hat mich auch während meines Trailrun’s um das Zugspitzmassiv unterstützt! An dieser Stelle vielen Dank dafür. In Grainau angekommen, ging ich auch gleich zum Check-in und holte meine Startunterlagen ab. Jeder Teilnehmer bekam ein Laufrucksack der Marke Salomon, worin eine vorgeschriebene Ausrüstung während des kompletten Wettkampfs untergebracht werden musste. Folgende Dinge gehörten dazu:

  • Regenbekleidung bzw. Überbekleidung als Regenschutz (mind. wasserdichte Regenjacke)
  • warme Kleidung (Oberteil und lange Hose bzw. Beinlinge)
  • Handschuhe Mütze
  • funktionsfähige Stirnlampe mit Ersatzbatterien
  • Wasserbehälter mit mindestens 1,5 Liter
  • Notfallausrüstung (Erste –Hilfe- Set, Rettungsdecke, Trillerpfeife)
  • Trailbook mit Kartenausschnitt, Detailplan und Höhenprofil der gesamten Strecke
  • Mobiltelefon mit eingespeicherten Rescue-Nummern zum Abgeben von Notrufen (Handy muss auch in Österreich funktionsfähig sein)
  • Personalausweis und Teilnehmerausweis
  • empfohlen werden außerdem Sonnencreme, Fettcreme und zusätzliche persönliche Verpflegung

Das Mitführen der Ausrüstung/Bekleidung während des Wettkampfes wird vom Veranstalter vor dem Start und an den Kontrollstellen überprüft. Ein Verstoß gegen das Mitführen der Ausrüstung wird mit Disqualifikation geahndet. Als nächstes habe ich meinen Rucksack gepackt, um zu sehen ob alles hineinpasst und wie schwer er ist. Gesagt getan und ich stellte mit entsetzen fest, dass ich während des gesamten Wettkampfes 5 kg tragen müsse. Gleich am nächsten Morgen ging ich noch einmal für 1 Stunde Laufen um das Gefühl mit 5 Kilogramm zu bekommen. Es war okay. Am Abend ging es zur Pasta-Party und anschließend zum Briefing. Samstagmorgen, es war so weit! Am 23.06.2012 um 5 Uhr klingelte der Wecker und nach einem Frühstück fuhr ich zur Startaufstellung in Grainau. Dort wurde genau kontrolliert ob jeder Teilnehmer die vorgeschriebene Ausrüstung bei sich hatte.

7:15 Uhr, der Startschuss fiel und 450 Läufer wurden auf den Ultratrail geschickt. Die Stimmung war gespannt und ausgelassen, alle wollten nur noch los. Die ersten Kilometer wurden neutralisiert (es durfte nicht überholt werden) durch den Ort gelaufen um bald zum ersten Anstieg zu gelangen. Begleitet von ein paar Kühen machte ich mich über ein Auf und Ab durch den ersten „Waldtrail“ wo die ersten Höhenmeter gesammelt wurden.

Der erste Verpflegungspunkt war am Eibsee. Eine Stunde und siebzehn Minuten brauchte ich für die ersten 10,5 km. Eine gute Zeit für ca. 300 HM. Von dort an ging es über die Skipisten in Richtung Talstation Ehrwald, wo der erste, wirklich steile Anstieg (1525m) Richtung Staatsgrenze folgte. Spätestens jetzt wusste jeder Läufer was ihn die nächsten Stunden erwarten würde. Ein ständiges Bergauf und Bergab auf anspruchsvollen Waldtrails, steile Up/Downhills und sensationellen Aussichten. Nachdem die zweite Verpflegungsstelle passiert war, ging es steil in hochalpines Gelände, Richtung „Feldernjöchl“ auf 2045 m.
Kurz darauf erreichte ich den höchsten Punkt der Tour mit 2200 m. Es war nebelig, windig und ein unbeschreibliches Gefühl dort oben zu stehen.

Beim Abstieg ging es wieder steil bergab. Auf schmalen Trails mussten Schneefelder, Schlammpassagen und andere Hindernisse überwunden werden. Über die „Rotmoosalm“ bis hinunter zur „Hämmersmoosalm“ ging es auf 1417 m.

Bis hier benötigte ich schon 7 Stunden 32 Minuten und es waren noch 58 km zu Laufen. Weiter ging es auf wunderschönen hochalpinen Trails zum „Scharnitzjoch“, der 3. höchste Punkt mit 2048 m. Das Wetter war an diesem Tag mehr als ideal und ich genoss den Lauf bis dahin in vollen Zügen. Die Bergwelt eröffnete seine ganze Schönheit! Es war ein wahrer Genuss mit den anderen Läufern durch diese „Welt“ zu laufen.
Vom „Scharnitzjoch“ ging es wieder einmal extrem steil bergab! Es mussten innerhalb von knapp 10 km ca. 1000hm bergab gelaufen werden. Was mir ziemlich zu schaffen machte. Ich musste mein Tempo sehr verringern, so dass ich nur mit ganz kleinen Schritten die Serpentinen auf Geröll und die unterschiedlichsten Naturstufen passieren konnte.
Am „Hubertushof Reindlau“ (1085m) bei Kilometer 56 war der 5. Verpflegungspunkt und gleichzeitig Ärztecheck. Jeder Läufer wurde von einem Arzt angesprochen. Ich fühlte mich sehr gut und durfte weiterlaufen. Martin wartete am Verpflegungspunkt bereits seit ein paar Stunden auf mich. Bei diesem schwierigen Gelände war es für mich nicht schneller möglich. Er reichte mir zu Essen, füllte meine Wasserdepo’s auf, denn alles war leer. Ich musste unterwegs mehrmals an fließenden Gebirgsbächen trinken. Das war frisches Wasser aus den Bergen.



Bis hier hatte ich bereits 10 Stunden Trailrunning vom Feinsten in den Beinen gehabt. Meine geplanten 17 Stunden waren Geschichte. Von nun an war die oberste Priorität gesetzt, gesund anzukommen! Die Nächsten 6 km bis nach Leutasch waren ziemlich eben und konnten in einem entspannten Lauf gemeistert werden. Weiter geht es in Richtung Leutasch, Geisterklamm und Staatsgrenze in der Höhe von 1022 m und weiter zum nächsten Anstieg Richtung „Bahnholzerweg“ (1300m). Hier war der letzte Verpflegungspunkt wo mir Martin etwas reichen konnte.




Inzwischen habe ich einen Laufpartner gefunden. Stephan sammelte ebenfalls heute erstmals Erfahrungen mit hochalpinem Gelände.
Er dachte schon mehrmals ans aufgeben und quälte sich langsam auf den einsamen Trails. Nach einem Downhill von ca. 500 hm auf 5km Länge kamen wir ins „Reintal“ (810m). Die Stunden verflogen und die Nacht brach langsam aber sicher an. Wir machte uns „nachtsicher“ (Armlinge,Weste, Stirnlampe). Nun begann der schwierigste Abschnitt beim Zugspitzultratrail. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir bewusst, dass ich alle Kräfte abrufen musste um diesen letzten Berg hinauf zu kommen. Der gnadenlose Aufstieg begann bei 810m, bis zur Längenfelder Talstation (1610 m). Mit dem Licht meiner Stirnlampe kämpfte ich mich durch unwegsames Gelände. Ich glaube wir hatten Stunden für diesen Teil der Wege gebraucht um erleichtert die „Talstation Längenfelder“ zu erreichen. Genau gesagt waren es 2,5 Stunden. Dort spielten sich „Dramen“ ab und einige Sportler gaben entkräftet auf. Die „Talstation Längenfelder“ war die vorletzte Verpflegungsstelle. Es war mittlerweile schon nach Mitternacht. Ich füllte meine Speicher ein letztes Mal auf, bevor es Richtung „Alpspitz Bergstation“ auf 2029 m ging. Das sind 3 km von 1610 m auf 2029 m. Dort angekommen hatten wir einen wunderschönen Ausblick auf die funkelten Lichter unten im Tal. Nun wurde uns klar, wie lange wir in diesem „verhexten“ Aufstieg unterwegs waren. Der letzte lange Abstieg von 10 km stand bevor. Es ging teilweise über Schneefelder, schlammigen, schmalen Steigen von 2029 m auf 800 m ins Tal. Manchmal redete ich mit mir selbst: „Lutz, wie sollst du hier nur runterkommen?“. Immer schön ruhig bleiben und ganz langsam tippeln. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir endlich das Tal und Grainau kam in Sicht. Die letzten 2 km bis ins Ziel waren flach. Entspannt und mit einem lächeln überquerte wir nach 20 Stunden und 43 Minuten die Ziellinie. Stephan bedankte sich für die Unterstützung, dass ich ihn in seinen schwersten Stunden mitzog und seinen inneren Schweinehund besiegte. Er hätte sonst auf der Talstation Längenfelder aufgegeben. In meiner Altersklasse starteten 82 Läufer 65 kamen ins Ziel und ich belegte den 26. Platz. Meine Gesamtplatzierung war zum Schluss ein 154. Platz.


Es war ein extrem schwieriges unvorstellbares und super schönes Abenteuer! Eines wurde mir an diesem Tag bewusst. Wir alle können über unsere Grenzen springen und mehr aushalten und bewältigen als wir denken. Es war mit Sicherheit nicht mein letzter Ultratrail.

Sport frei…..

Lutz

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