Die gute Vorbereitung hat sich gelohnt für mein 1. Ultra-Debüt auf der 100-km-Distanz. Seit 1. Januar habe ich mich auf diesen sportlichen Höhepunkt vorbereitet. In der Summe habe ich rund 1.875 Kilometer zurückgelegt, bevor am Samstag Morgen (3. Juli) um vier Uhr der Startschuss des 4. ThüringenULTRA fiel. Mein Ziel: gesund ankommen – Zeit spielt keine Rolle.

Gegen 02:30 Uhr signalisierte  der Wecker meines Mobiltelefons, dass es nun Zeit zum Aufstehen war. Schon in einer guten Stunde sollte der Startschuss fallen. Ich streifte mir meine kurze, enge Laufhose über, zog das Lauf-Shirt an und schützte empfindliche Stellen auf der Haut mit etwas Puder. Bei rund 14° C konnte ich auf eine Laufjacke verzichten. Schließlich versprach der Wetterbericht, dass es sehr heiß werden würde. Zwei halbe Brötchen und eine Tassen Kaffee, das war mein Frühstück. Ruckzuck war es auch schon zehn vor vier, also höchste Zeit, in den Startbereich zu gehen. Die Stimmung war fröhlich, alle fieberten dem Startschuss entgegen. Es gab überhaupt keine Unruhe unter den Läuferinnen und Läufern. Aber eine gewisse Vorfreude auf den bevorstehenden Langstreckenlauf lag in der Luft.


Dann fiel auch schon der Startschuss, der keiner war, sondern ein zischender und sprühender Silverster-Feuerwerkskörper. Der Moderator sagte: „Ja, los jetzt, das war der Startschuss!“ Und schon setzten sich die 260 Läuferinnen und Läufer in  Bewegung, begleitet von etlichen Fahrradbegleitern. Skandinavische Baumfackeln säumten die ersten hundert Meter, einige Fröttstädter Frühaufsteher standen an der Strecke und applaudierten als wir durch die kleine Ortschaft liefen. Keine fünf Minuten nach dem Start führte die Route aus dem Ort heraus über schmale Straßen durch Wiesen und Äcker. Kleine rote Lämpchen und rote Flatterbänder an Bäumen und Sträuchern markierten die Strecke. Es dämmerte als die Landschaft im morgendlichen Dunst sichtbar wurde. Thüringens Wald-und-Wiesen-Landschaft zeigte sich von ihrer schönsten Seite. Fast ganz hell war es, als wir unter der Autobahnbrücke hindurch trabten und die ersten Hügel vor dem Thüringer Wald hinauf liefen.

Doch bald wurden die Wege steiler. Wir erklommen die ersten Berge, liefen über offene Wiesen und Waldwege. Ich genoss weiterhin die Landschaft und war erstaunt, wie schnell die ersten 24 km bis zum ersten Wechselpunkt für die Staffelläufer hinter mir lagen. Die Strecke führte weiter zum Dreiherrenstein, ein Stück den Rennsteigweg in Richtung Unterer Beerberg, eine Gegend, die mir bekannt vorkam. Ganz bestimmt führte die Strecke damals beim Supermarathon genau hier entlang. Als ich die Verpflegungsstelle Brotterode bei Kilometer 29 etwa gegen 7:25 erreichte wurde es auch so langsam warm. Der Weg führte nun über eine gemähte Wiese zum Unterberg. In den Wäldern und auf den Höhen war es bis dahin gar nicht so sehr warm. So ließ es sich gut laufen. Ich teilte aber dennoch meine Kräfte ein und beherzigte den Rat, die Anstiege gehend zu überwinden und es an den Gefällestrecken einfach rollen zu lassen. Ich dachte darüber nach, ob das wirklich die bessere Taktik in diesem Gelände ist. Denn schließlich waren es ja in der Summe etwa 2.150 Höhenmeter, die auf der gesamten Strecke überwunden werden mussten. Und die steigenden Temperaturen bereiteten mir zunehmend Sorge. Wäre es da nicht günstiger am Anfang schneller zu laufen und auch die Anstiege im Laufschritt zu nehmen, so weit das  möglich ist? So käme ich sicher ein größeres Stück voran. Ich hielt mich aber an die Tipps der alten Ultra-Meister und hielt mich im Zaum. Es ist schon ein Phänomen: Unterwegs überholt man immer wieder die gleichen Läuferinnen und Läufer. Wenig später wird man selbst wieder von den gleichen Läuferinnen und Läufern eingeholt. So kam ich mit Andre Hall aus Texas (USA) ins Gespräch. Wir liefen in etwa das gleiche Tempo. Kurz hinter dem Weinberg (583 m ü.N.N.) bei Trusetal führte uns die Route auf einen asphaltierten Weg Richtung Kleinschmalkalden. Der Weg schmiegt sich sanft in die Landschaft. Leicht abschüssig beschleunigte er unsere Schritte. Bald ging es im flotten Laufschritt über eine Eisenbahnbrücke und unmittelbar danach durch einen kleinen Tunnel. Es lief sich einfach herrlich.

Gut eine halbe Stunde später erreichte ich den Verpflegungs- und Wechselpunkt bei Kilometer 51. 6 Stunden benötigte ich bis hier hin. Ich füllte meine Trinkflaschen wieder mit  Wasser und mischte mein Spezialgetränkepulver unter. Wenig später brach ich zur dritten Etappe auf. 24 Kilometer wollten nun  größtenteils im Laufschritt bezwungen werden. Die ersten Kilometer der dritten Etappe hatten es jedoch in sich. Stetig ging es bergauf, nicht sehr steil, aber es zog sich in die Länge. Nun wurde es doch schwerer und schwerer, die Berge zu erklimmen. Am Dreiherrenstein am Hangweg führte uns die Strecke wieder über den Rennsteig Wanderweg zur Ebertswiese, auf der sich beim Rennsteiglauf ein Verpflegungspunkt befindet. Ich habe die Stelle aber nicht unbedingt wiedererkannt, wohl aber den Rennsteigweg dorthin. Bis kurz vor dem Wechselpunkt zur vierten Etappe bei Kilometer 74 lief ich gemeinsam mit  Andre Hall. Inzwischen wurden meine Beine doch schon sehr müde. Aber mit den Gesprächen unterwegs wurde das Laufen doch deutlich leichter. Auch wenn wir jetzt bei den leichtesten Anstiegen in einen lockeren Spaziergangschritt übergingen. Die Strecke führte nun über etwas offenere Landschaften des Thüringer Waldes. Malerische Ausblicke lenkten uns von den Strapazen ab. 21 Kilometer vor dem Ziel gab es wieder eine Verpflegungsstation. Jetzt war es also nur noch eine Halbmarathondistanz, die uns vom Ziel in Fröttstädt trennte. Die Beine wurden schwerer und schwerer. Schon lange hatte ich die Höhen des Thüringer Waldes hinter mir gelassen. Daher war es deutlich wärmer, mit Sicherheit wärmer als 30° C. Teilweise gehend dann wieder langsam trabend. Aber immerhin kamen ich mit jedem Schritt dem Ziel etwas näher.

Etwa zehn Kilometer vor dem Ziel hörten ich Musik, einen Moderator und Anfeuerungsrufe von Fußballfans. Das WM-Spiel Deutschland gegen Argentinien war bereits angepfiffen. Mir war natürlich schon beim Start am Morgen klar, dass ich es nicht schaffen würde, das Ziel vor dem Anpfiff zu erreichen. Bald hörte ich den Jubel, als das erste Tor für Deutschland in der dritten Spielminute fiel. Kurz danach wurde aber auch ein Läufer  anmoderiert. Damit war klar, dass es der Verpflegungspunkt bei Kilometer 95 sein musste. Jede Läuferin, jeder Läufer wurde namentlich angekündigt. Toll. Das motivierte ungemein, den Laufschritt bis zum Verpflegungspunkt durchzuhalten. Zum Schluss habe ich meine Trinkflasche mit Cola gefüllt und konnte somit noch voll durchlaufen bis zum Ziel.
Nach 13 Stunden und 6 Minuten habe ich meinen ersten.100 km Lauf mit 2100 Höhenmeter und bei dieser Hitze ohne Probleme gefinisht.

5 Responses

    • Hallo Lutz,

      Dein Bericht hat mir sehr gefallen. Ich finde es einfach toll wie ehrgeizig Du bist und wie Du das immer so meisterst. Mach weiter so.
      Deine Schwester

  1. Also für’s Fußballspiel hätt ich mich aber ein bißchen beeilt ;-). Im Ernst: Respekt, 100 km laufen ist echt bitter für die Muskulatur…

  2. Riesigen Respekt & Anerkennung!!!
    Wo nimmst du noch die Kraft her für Gespräche?
    Aber nun Lutz, ab in den See (natürlich zum “ausschwimmen”).

  3. Respekt, Respekt Lutze,
    großartige Leistung aber auch ein bischen verrückt, so kennen wir dich.
    Bleib so wie du bist und alles gute für den zweiten Ultra- Lauf.
    Dein Schwager

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